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Wie löst man sich von alten Prägungen?

Wie geht man mit alten, sehr konservativen Prägungen um (Kirche, etc)?

Die Älteren unter uns, vor allem aus der Nachkriegs-generation, sind in einem Umfeld aufgewachsen, das sehr von gesellschaftlichen Konventionen geprägt war. Politik und die Kirche haben diese Entwicklung entscheidend mitgestaltet.

Der erste Widerstand gegen diese Bevormundung, wie sie oftmals empfunden wurde und wohl auch war, wurde dann durch die 68er-Bewegung zum Ausdruck gebracht und hat eine Veränderung ins Rollen gebracht, die lange nachgewirkt hat.

Konventionen und vor allem Rituale, die daraus entstanden sind, erfüllen auch ihren Zweck - das Zusammenleben der Menschen zu ermöglichen - mit allen Reibungspunkten inklusive. Sie sollen Sinn vermitteln, Struktur geben, das Leben im Alltag und Jahresablauf gestalten, was wiederum durch die Vertrautheit mit diesen Vorgaben Sicherheit vermittelt. Es ist so ähnlich wie der Vertrauensgrundsatz in der Strassenverkehrsordnung: man verlässt sich darauf, daß auch die Anderen (die meisten und meistens jedenfalls) sich daran halten.

Gesellschaften und ihre vielfältigen Interessensgruppen entwickeln sich jedoch weiter, da kommen manche dann an die Grenzen dieser Strukturen, denn diese grenzen nicht nur ab und auch aus, sondern sie engen auch ein, schränken ein und stehen damit im Widerstreit mit dem sich wandelnden Freiheitsbegriff einer Gesellschaft.

Soweit dieser kurze Ausflug in theoretische Hintergründe, sehr verkürzt und vereinfacht dargestellt.

Wie geht nun der Einzelne damit um, wenn er sich von diesen verinnerlichten Konventionen, durch die man auch in der eigenen Entwicklung geprägt ist, lösen will ?

Keine einfache Sache, es geht auch nicht “von heute auf morgen”.

Die einfachste Frage, die man sich selbst stellen kann - und auch muss, liegt auf der Hand: wie will ich mein Leben in Hinkunft gestalten, fremdbestimmt oder selbst- bestimmt?

Entscheide ich mich für selbstbestimmte Lebens-gestaltung, bin ich mit dem nächsten Schritt konfrontiert: die Eigenverantwortung für alle meine Entscheidungen und Handlungen. 

Vorher war´s einfacher: solange ich das tue, was von mir erwartet wird, habe ich keine Probleme, die mich in Bedrängnis bringen könnten. Jetzt aber bin ich der Situation, daß ich mir meine Handlungsmaximen selbst überlegen und auch verantworten muss. Ich muss das Leben nicht neu erfinden (wäre auch gar nicht möglich…), ich werde wohl vieles von dem, was ich bis jetzt für sinnvoll und gut befunden habe, auch weiterhin tun, das erspart mir schon mal viel an gedanklicher Arbeit und Mühe. Doch viele Entscheidungen in meinem Leben werde ich an anderen Überlegungen messen müssen, die vorher nicht nötig waren. Das wird mir anfänglich sicher innere Unsicherheit verursachen - was ist richtig, was ist gut, ist es moralisch vertretbar oder nicht? Einen Aspekt muss ich dabei immer beachten: den Respekt - mir selbst gegenüber im Sinne der Selbstachtung und Anderen gegenüber im Sinne ihrer Würde.

Wobei die Frage der Moral eher zweitrangig ist - was anderswo, entsprechend der politischen und religiösen Werte und Normen als “moralisch”und “normal” gilt, der Umgang mit Menschen, ist in unserer demokratischen Gesellschaft absolut abgelehnt. Moral (mores - die Sitten) und normal (der Norm entsprechend) wird immer in der jeweiligen Gesellschaft definiert. Ich schaue da auf die Ethik, die für alle Menschen gleich gilt, egal, wo und in welchem System sie leben.

Primum non nocere - zuallererst nicht schaden, das ist schon mal eine Leitlinie, die fast immer hilft.

Die Entscheidung für ein weitgehend selbstbestimmtes Leben bringt Hürden und Mühen mit sich, aber auch die Chance, meine Persönlichkeit bewusster als zuvor weiterzuentwickeln. 

Was ja auch zum Sinn unseres Daseins gehört.